Samstag, 14. Mai 2011

Update aus Bhaktapur

 Während auf "Nepalfalk" die Beiträge in der Warteschlange stehen, habe ich Euch lange nichts mehr von meiner Arbeit in Nepal berichtet. Trotz der vielen Reisen und Ausflüge, die ich in letzter Zeit unternommen habe, ist natürlich viel passiert in Bhaktapur und so will ich Euch nun mal wieder auf den neuesten Stand bringen.

In der Schule hat das neue Schuljahr begonnen und Dank des rechtzeitig fertig gestellten Klassenzimmers konnten alle Klassen eine Stufe aufsteigen. Während im 2. Stock die Bauarbeiten weitergingen, widmete ich mich mit Indra den nächsten anstehenden Projekten. Eines davon war die immer noch problematische Trinkwasserversorgung. Da wir in der Schule bislang kein System der Trinwasserreinigung haben, müssen die Kinder ihr Wasser großenteils selber mitbringen. Das ist jedoch sehr häufig mit Bakterien verunreinigt, was gerade in der Regenzeit zu vielen Krankheitsausbrüchen führt. Wir kontaktierten eine Firma in Kathmandu und trafen uns mit einem Mitarbeiter in der Schule, um die möglichen Alternativen zu diskutieren. Ein konkreter Vorschlag der Firma steht noch aus, aber das Treffen war ja auch erst vor 2 Monaten. Wir sind in Nepal, man muss Geduld haben...

Als nächstes haben wir uns die Stromversorgung im Gebäude vorgenommen. Durch die starke Bewölkung während der Regenzeit ist es in den Klassenräumen häufig so duster, dass die Schüler das Tafelbild nicht mehr erkennen können. Die einzige vorhandene Batterie ist nämlich so schwach, dass sie gerade einmal 3 Glühbirnen für wenige Stunden betreiben kann. Auch mit Hinblick auf die zunehmende Computernutzung in der Schulverwaltung planten wir nun die Anschaffung einer größeren Batterie, die sowohl für einen Laptop, als auch mindestens eine Glühbirne pro Raum ausreichen würde. Die Batterie sollte darüber hinaus mit einer bereits vorhandenen Solareinheit auf dem Dach verbunden werden. Auf Grund der schwachen Leistung soll diese zwar zunächst eher pädagogischen Zwecken dienen, doch mit einem Ausbau des Systems könnte später einmal ein großer Teil des Strombedarfs auf diese Weise gedeckt werden. Der Kostenvoranschlag eines Anbieters für ein solches Minimalsystem belief sich auf 380 €, die Spendensammlung läuft (siehe toit.org.np). 

Das bereits vorhandene Solaraggregat.
Wenige Wochen bevor ich Bhaktapur verlassen würde fiel mir dann auf, dass obwohl ich mit der Intention nach Nepal gekommen war, um Naturwissenschaften zu fördern, ich noch nichts konkret dafür getan hatte. Ich besuchte also den Unterricht der 6. Klasse und stellte fest, dass dort viel zu tun war! Man muss wissen, dass in Nepal die meisten Lehrer an öffentlichen Einrichtungen ihre Tätigkeit mehr oder weniger direkt nach ihrem eigenen Abitur und ohne pädagogische oder fachliche Ausbildung beginnen. Die in diesem Fall von mir unterstützte Lehrerin hatte lediglich einen viertägigen Crashkurs von Indra bekommen und das Ergebnis kann man sich leicht vorstellen: Frontalunterricht vom Feinsten, gelangweilte, unruhige Stimmung im Klassenzimmer, Unsicherheit der Lehrerin und ein Lerneffekt, der gegen null ging. Ich übernahm also ein paar Stunden und diskutierte anschließend mit ihr die wesentlichen Vorteile von integrierendem Unterricht. Zum ersten mal durften die Schüler wirklich aktiv mitarbeiten, mussten Tafelbilder kopieren, Zeichnungen erstellen, Schlussfolgerungen ziehen, über Fragen grübeln, Schätzungen anstellen - und wir hatten viel Spaß. Allen voran die Lehrerin selbst, die sich mit in die Reihen gesetzt hatte und mitunter die eifrigste Schülerin war (und immer abgrundtief enttäuscht war, wenn ich ihre hervorgepreschte Antwort unterschlagen hatte!). Da das Thema Pflanzen war, machten wir einen Feldbesuch, auf dem sie lernten das Wachstum des schuleigenen Gemüses zu verfolgen und zu dokumentieren. Am dritten und letzten Tag gab es eine Versuchsreihe zum Thema Zucker, bei dem sie selber den Stärkegehalt verschiedenen Gemüses mittels verdünnter Iodlösung überprüfen konnten (Lehrerin in der ersten Reihe: "Ich will die Möhren! Darf ich die Möhren!? Bitte, bitte..."). Für mich war es einerseits unheimlich aufschlussreich und spannend mit diesen hochmotivierten, aber bislang nicht geforderten Kindern zusammenzuarbeiten. Auf der anderen Seite realisierte ich, wie schwierig es ist einem unerfahrenen Lehrer die Grundzüge von guter Lehrpraxis beizubringen. 

Naturwissenschaftlicher Unterricht am lebenden Objekt.
Ich bin mir vollkommen bewusst, dass ich selbst keine pädagogische oder didaktische Ausbildung genossen habe und somit nicht auf hohem Niveau Lehrer ausbilden kann. Auf dem Level, das mir aber hier begegnete, konnte ich allein von meiner eigenen Schul- und Unierfahrung her genug Anhaltspunkte zur Verbesserung des Unterrichts finden um effektiv helfen zu können. Das führte dazu, dass ich schließlich zusammen mit Jelke, einem sehr erfahrenen Schulleiter aus den Niederlanden, einen mehrstündigen workshop für alle Lehrer der Schule durchführte, auf dem wir, ausgehend vom derzeitigen Wissensstand der Lehrer, die wichtigsten Prinzipien guten Unterrichts vorstellten, darunter Einbeziehung der Schüler, Entwicklung verschiedener Fähigkeiten, Durchsetzung disziplinarischer Regeln, respektvoller Umgang, Unterrichtsplanung, etc. Es war ein voller Erfolg, denn die Lehrer waren überaus dankbar für konkrete Hilfestellungen und hoch motiviert. Wir schafften es sogar Ihnen diverse Fragen zu verschiedenen Problemen zu entlocken und anschließend zu besprechen, was in Nepal normalerweise unmöglich ist. Man ist es nicht gewohnt, Dinge in Frage zu stellen oder sich zu outen, wenn man etwas nicht versteht. Es war der erste workshop dieser Art an der Schule, aber wir beschlossen ihn als Ausgangspunkt für regelmäßige Fortbildungen zu nutzen, zu denen wir erfahrene Lehrer aus dem In- und Ausland einladen wollen.

Meine erste Fortbildung "von der anderen Seite".

Auch die anderen Voluntäre waren in der Zwischenzeit sehr aktiv. David und Iain, zwei Spontan-Voluntäre aus England, gaben mehrtägige Englischkurse für alle Lehrer und Schüler und sprachen diverse "listening comprehensions" auf Band. Carol und Lucy schlossen die Arbeiten in der Bibliothek ab, indem sie die Regale strichen sowie alle verbliebenen Bücher mit Schildern und Ausleihkarten versahen. Jeremy brachte - soweit das noch möglich war - die vorhandenen Computer in der Schule auf Vordermann und machte einen Einführungskurs mit Munna (Schwester von Sunchita, Indras Frau), die sich bereit erklärt hatte sich in Zukunft um die Computerverwaltung zu kümmern. Und Sailesh, der Schatzmeister von TOIT, hat sich bereit erklärt die Bilanzrechnungen der letzten 5 Jahre zu übersetzen, welche wir für unseren Förderantrag bei der deutschen Botschaft benötigen.

Schließlich haben wir noch versucht einige oranisatorische Dinge für TOIT ins Rollen zu bringen. Beispieltsweise haben wir den örtlichen Rotary-Club kontaktiert und ein Treffen arrangiert, bei dem wir die Arbeit von TOIT und den Nutzen für die untere Bevölkerungsschicht vorgestellt haben. Das Treffen ist nun schon 3 Monate her und die Beratungen dauern wohl noch an, aber wir haben es zumindest versucht. Ebenso haben wir einige neue Elternprojekte ins Leben gerufen, darunter die geplante Herstellung sogenannter "Duna" (biologisch abbaubare Einmal-Teller und -Schüsseln aus Blättern) sowie die von recyceltem Papier (hauptsächlich für die schulinterne Nutzung zum Malen und Schreiben). Wir erstellten Kalkulationen für die entsprechenden Geräte- und Rohstoffkosten und entwickelten daraus ein Projekt für zukünftige Voluntäre. Dazu schickten wir einige Probeexemplare zu Freunden und der Hauptvertriebsorganisation in Deutschland GEPA, um neue Absatzmöglichkeiten in Deutschland auszumachen. Die GEPA hatte dafür leider schon eine andere Quelle, aber falls irgendein Leser dieses Blogs möglicherweise Interesse an einem regelmäßigen Kauf dieser Teller hat könnt Ihr mich gerne kontaktieren. Des Weiteren ist die Übersetzung der TOIT-website ins Französische im vollen Gange und wir suchen nach Helfern, die bereit wären eine oder mehrere Seiten ins Deutsche zu übersetzen. Freiwillige melden sich bitte bei mir, vielen Dank im voraus!

Obwohl meine Zeit in Bhaktapur damit beendet ist, wird die Zusammenarbeit wohl fortdauern. In 5 Monaten gemeinsamen Arbeitens, Wohnens und Lebens habe ich ein so vertrautes und freundschaftliches Verhältnis zu Indra aufgebaut, dass wir weiterhin in Kontakt bleiben und ich gerne als Ansprechpartner für Fragen bzgl. TOIT in Deutschland fungieren werde. In den nächsten Jahren dürfte es hier also hoffentlich immer mal wieder Berichte über die Weiterentwicklung von TOIT geben (wohl meist in Verbindung mit einem kleinen Trekkingbericht auf Nepalfalk;).

Zum Abschluss meiner Zeit in Nepal bin ich nun noch einmal für 2 Wochen an ein Science Campus in Biratnagar gegangen, welches ganz im Südosten im Flachland (Terai) des Landes, an der Grenze zu Indien liegt. Studenten können hier einen Bachelor in Chemie, Physik oder Biologie machen und ich hatte gehofft sowohl ein paar Einblicke in die Art der Ausbildung zu erhalten als auch ein wenig selber unterrichten zu können. Beides steht jedoch zur Zeit in den Sternen, da (entgegen vorheriger Absprache) nun doch gerade Exams stattfinden. Ich habe noch nie erlebt, dass in einem Land derartig viele Prüfungen abgehalten werden wie in Nepal! Es gibt 3 Terms pro Jahr und jedes Term hat mid-Term und end-Term-Exams zu je 7-10 Werktagen. Hier am Campus verdoppelt sich das ganze noch, da nach einer Woche Theorie noch eine Woche Praxis-Prüfungen dazukommen. Wann soll man denn da überhaupt noch lernen?!? Aber ich will nicht vorschnell urteilen, vielleicht bekomme ich ja doch noch ein paar Studenten zu Gesicht und kann mit Ihnen etwas arbeiten. Darüber hoffentlich bald mehr auf diesem Blog.

Der Science-Campus in Biratnagar.